People want change and demonstrate.
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Mit den Indikatoren Wertschöpfung und Beschäftigung lassen sich nicht alle sozioökonomischen Auswirkungen der Bioökonomie messen. Um die Bioökonomie nachhaltig zu gestalten – im Sinne einer Kreislaufwirtschaft und innerhalb der planetaren Grenzen –, müssen sich die Wirtschaftsweise und das Konsumverhalten wandeln. Für ein umfassendes Monitoring des sozialen Wandels können bestehende Indikatoren genutzt und weiterentwickelt werden.

Was bedeutet sozial-ökologische Transformation?

Die sozial-ökologische Transformation beschreibt das Ziel und den Weg in eine Zukunft, in der (1) gesellschaftliche Bedürfnisse (soziale Nachhaltigkeit) (2) innerhalb der planetaren Grenzen (ökologische Nachhaltigkeit) befriedigt werden [1]. Bioökonomie sollte ökonomisch so effektiv, effizient und gerecht sein (ökonomische Nachhaltigkeit), dass die gesellschaftlichen Bedürfnisse mit möglichst geringen Risiken erfüllt werden und dabei niemand benachteiligt wird. Die Grafik visualisiert die Kriterien für den Wandel.

Gesellschaftlich-ökologischer Wandel und „doppelte Entkopplung“ als qualitative Trends. (Quelle: Zeug et al. 2023 [8]).

Die planetaren Grenzen beschreiben die ökologischen Limits für die Ressourcennutzung (Land, Wasser, Biodiversität) und die Umweltwirkungen (Treibhausgasemissionen, Verschmutzung). Diese Grenzen stehen miteinander in Wechselwirkung und können über die Zeit hinweg variieren [2]. Bezogen auf die Risikobereitschaft enthalten sie ein normatives Element und gelten aus politisch-ökologischer Perspektive als umstritten [3]. In der Grafik werden sie zur Vereinfachung als konstante Linie dargestellt.

Die Umweltauswirkungen und Ressourcennutzung der Ökonomie wachsen rasant an, vor allem seit den 1950er-Jahren. Beide Trends werden in der Grafik als qualitative Trends dargestellt, abgeleitet von quantitativen Daten [4]. Diese Trends werden hauptsächlich von der Produktion von materiellen und immateriellen Waren und Rohstoffen (z.B. Bruttoinlandsprodukt) getrieben, welches bisher einem exponentiellen Wachstum folgt. Im Gegensatz dazu steigt die Entwicklung sozialer Indikatoren nur leicht an (nicht einmal linear) – wie z.B. der Index der menschlichen Entwicklung (Human Development Index, HDI). Das zeigt, wie unproportional [5] die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse (derzeit) mit der Warenproduktion und dem Rohstoffverbrauch verbunden ist.

Notwendig wäre eine „doppelte Entkopplung“: eine sowohl gesellschaftliche als auch eine technisch-ökonomische Entkopplung. „Gesellschaftliche Entkopplung“ bedeutet, dass der Grad der Erfüllung der gesellschaftlichen Bedürfnisse von einer steigenden Produktion und materiellen Gütern losgelöst wird. Dies erfordert ein Umdenken in Bezug auf Zweck und Mittel heutiger Wirtschaftssysteme. Innovationen und nachhaltige Technologien werden dieses Problem nicht allein lösen. Politische Lösungen sind gefragt [6].

Suffizienz – die Entkopplung von künftigem Wohlstand und ökonomischem Wachstum – spielt eine große Rolle. Für die meisten biophysikalisch-sozialen Indikatoren wurde beispielsweise ein abnehmender Grenznutzen festgestellt: Ab einem bestimmten Wohlstandsniveau und Grad der Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse tragen zusätzliche Ressourceneinheiten weniger zur Befriedigung bei [7]. Eine relative Entkopplung (weniger Auswirkungen pro Produkt, technisch-wirtschaftliche Entkopplung) kann zwar auch ohne gesellschaftliche Entkopplung erreicht werden, allerdings ist eine absolute Entkopplung (weniger Auswirkungen insgesamt) in einer schnell wachsenden Wirtschaft nicht plausibel [8].

Daher können ein gesellschaftlich-ökologischer Wandel und eine nachhaltige Bioökonomie dem entsprechen, was als technologisch-politische Vision der Bioökonomie „Planned Transition“ beschrieben wurde [9]. Auf der einen Seite werden fortgeschrittene Technologien im industriellen Maßstab (integrierte Bioraffinerien, Kaskadennutzung, ökologisch-funktionale Intensivierung landwirtschaftlicher Sektoren, weltweiter Handel mit biogenen Rohstoffen, Einsatz von High-Tech-Biotechnologien) benötigt, um die ambitionierten Anforderungen an die Ressourceneffizienz zu erfüllen [10]. Auf der anderen Seite sind weiteres physisches Wachstum der Materialströme, Kapitalakkumulation und kapitalistisches Wachstum kein notwendiger Bestandteil der Bioökonomie. Stattdessen müssen die Konzepte des Reduzierens, Wiederverwendens und Recycelns – in dieser Reihenfolge – in einer kreislauforientierten Bioökonomie in die Praxis umgesetzt werden.

Eine solche Transformation wird sich innovativ mit normativen und sozioökonomischen Barrieren auseinandersetzen müssen – mit globalen politischen Regulierungsmustern und daraus resultierenden Produktions- und Konsummustern sowie mit den technologischen und ökologischen Herausforderungen. Technologische Innovationen müssen mit sozialen, wirtschaftlichen und organisatorischen Innovationen einhergehen. Im Spannungsfeld zwischen einer globalen sozioökologischen Krise sowie der Verantwortung und dem Handlungsspielraum auf lokaler und regionaler Ebene kommen Fragen zur Größenordnung auf [8].

Für das Bioökonomie-Monitoring bedeutet dies, dass ein „Werkzeugkasten“ mit verschiedenen Methoden benötigt wird, die die mehrstufigen und mehrdimensionalen Herausforderungen berücksichtigen: Methoden, um die Ressourcennutzung der Bioökonomie zu messen (primäre Biomasseströme aus Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei sowie Fortschritte auf dem Weg zur Kreislauf-Bioökonomie durch das Monitoring sekundärer Ressourcenströme). Methoden, um die mit der Bioökonomie verbundenen ökologischen Auswirkungen (Wassernutzung, Verlust der biologischen Vielfalt, Umweltverschmutzung usw.) und ihren Beitrag zur Erfüllung gesellschaftlicher Bedürfnisse (Lebensmittel- und Rohstoffverbrauch, einschließlich Fragen der Verteilung, Innovation, Suffizienz und Partizipation) zu berechnen.

 


Notizen und Referenzen

  1. Allerdings bleiben die Begriffe und Konzepte der Transformationen hin zur Nachhaltigkeit unklar und es herrscht eine große Ungewissenheit und Unstimmigkeit über die Bedeutung und Funktion dieser Konzepte. Siehe auch, Görg et al. (2017). Challenges for Social-Ecological Transformations: Contributions from Social and Political Ecology. Sustain. doi: 10.3390/su9071045
  2. Beispielsweise kann die Überschreitung einer planetarischen Grenze zur Überschreitung anderer Grenzen führen (z. B. kann der Klimawandel zu Wasserknappheit und Landdegradation führen). Das Konzept der Planetengrenzen wurde eingeführt und weiterentwickelt von Rockström et al. (2009). A safe operating space for humanity. Nature. Verfügbar unter: https://www.nature.com/articles/461472a und Steffen et al. (2018). Trajectories of the Earth System in the Anthropocene. doi: 10.1073/pnas.1810141115
  3. Görg (2015). Planetarische Grenzen. Wörterbuch Klimadebatte. doi: 10.1515/9783839432389-031 und Bauriedl (2016). Politische Ökologie: nicht-deterministische, globale und materielle Dimensionen von Natur/Gesellschaft-Verhältnissen. Geographica Helvetica. doi: 10.5194/gh-71-341-2016.
  4. Roser (2022). Our World In Data. Verfügbar unter: https://ourworldindata.org/.
  5. Diese qualitativen Trends entsprechen eher den Industrieländern des globalen Nordens und verlagern negative Auswirkungen insbesondere in den globalen Süden.
  6. Dies bedeutet nicht, dass ein Widerspruch zwischen Substitution und Innovation besteht. Im Gegenteil: Innovation ist eine der Voraussetzungen für Substitution.
  7. O'Neill et al. (2018). A good life for all within planetary boundaries. Nat. Sustain. doi: 10.1038/s41893-018-0021-4.
  8. Zeug et al. (2023). Life Cycle Sustainability Assessment for Sustainable Bioeconomy, Societal-Ecological Transformation and Beyond. In:  Progress in Life Cycle Assessment. Sustainable Production, Life Cycle Engineering and Management.
  9. Hausknost et al. (2017). A Transition to Which Bioeconomy? An Exploration of Diverging Techno-Political Choices. Sustain. doi: 10.3390/su9040669
  10. Quellen finden Sie im Folgenden: